Die Digitalisierung der Rechtsanwendung schreitet unaufhaltsam voran. Ein Beispiel aus dem Bereich Compliance: Eine App, die mit Hilfe einer patentierten Technologie den von Windrädern erzeugten Schatten misst. Bei Überschreitungen kann via App automatisch eine Kanzlei eingeschaltet werden, welche eine schnelle, unkomplizierte Abwicklung rechtlicher Schritte realisiert.

Sonnenkiller Windrad

Immer mehr Menschen wünschen sich grünen Strom. Diese Nachfrage führt zu einem vermehrten Einsatz grüner Technologien, so zum Beispiel bei Windrädern, die in lohnenden Regionen Deutschlands aufgestellt werden. Da solche Windkraftanlagen nicht nur Offshore – also ohne jegliche Beeinträchtigung von Anwohnern – installiert sind, werden immer wieder Beschwerden über etwaige Beeinträchtigungen der betroffenen Haushalte laut. Die rotierenden Windräder führen zu einem monotonen Wechsel zwischen Schatten und Sonne und können dadurch Konzentration und körperliches Wohlbefinden der Nachbarn erheblich beeinflussen. Sich dagegen zu wehren, ist aber alles andere als einfach: Denn eine solche Störung der Sonnenbestrahlung eines Hauses ist nur schwer zu dokumentieren. Deswegen gestalten sich Klagen gegen den Betreiber meist langwierig und sind mit hohen Kosten für einen Gutachter verbunden.

Schattenmessen mit dem Smartphone

Um teuren Gutachtern vorzubeugen und eine schnellere Abwicklung der Schadensersatzklage zu erreichen, wurde eine Technologie entwickelt, welche die Messung des entstandenen Schattens mit Hilfe eines Smartphones zulässt. Mit diesem Schattenmesser kann man schnell und kostengünstig eine Analyse der vorliegenden Situation erstellen.

Diese patentierte Technologie lässt sich nun auf einem Smartphone mit Hilfe einer App ausführen. Das Smartphone benötigt hierfür nur eine Kamera, einen Lichtsensor und ein Chronometer. Diese Funktionen sind in modernen Smartphones standardmäßig verbaut. Die App berechnet dann über einen präzisen Algorithmus die Beeinträchtigung durch den erzeugten Schatten. Dies wird über die Frequenz realisiert. Nach der Berechnung wird der Wert sofort mit einer Datenbank abgeglichen, die die maximale Menge an Schatten für das bestimmte Wohngebiet enthält.

Schnelle Kompensation bei Überschreitungen

Überschreitet die Windkraftanlage einen gewissen, vorher bestimmten Grenzwert, so bietet die App die Möglichkeit, die gesammelten Daten direkt an eine Verbraucherschutzorganisation oder an eine spezialisierte Kanzlei weiterzuleiten. Diese prüft die Daten noch einmal und errechnet eine ungefähre Kompensationssumme. Diese Summe besteht aus dem wahrscheinlich erreichbaren Schadensersatzbetrag aus der Klage abzüglich einer Gebühr für die Übernahme der Klage. Der Vorteil für den Nutzer liegt in der meist schnellen Abwicklung der Forderungen und damit verbunden einer schnelleren Schadensersatzzahlung. Zudem werden die Kosten kalkulierbarer, da weder Anwaltskosten noch Gerichtskosten anfallen. Diese übernimmt die Kanzlei für den Kunden.

Schattenmesser als Geschäftsmodell im Bereich Legal Tech

Das Geschäftsmodell basiert auf einem patentierten Algorithmus, welcher in eine Smartphone-App integriert werden könnte. Der Algorithmus kann mithilfe des Smartphones die Beeinträchtigung durch den Schatten von Windrädern berechnen und mit vorgeschriebenen Werten aus einer Datenbank abgleichen. Im nächsten Schritt sollte nun eine Kanzlei diese Idee aufgreifen und sich an diesen Algorithmus bzw. an diese App „anbinden“: Bei Überschreitungen der zulässigen Richtwerte bietet die App dem Kunden die Möglichkeit an, mithilfe der „angebundenen“ Kanzlei kostengünstig und schnell rechtliche Schritte anzustrengen. Die Kanzlei übernimmt den kompletten rechtlichen Ablauf vollautomatisch und zahlt eine Entschädigungssumme, die sich aus der erreichten Schadensersatzzahlung abzüglich einer Gebühr zusammensetzt.

Vorbild für andere Legal-Tech-Apps?

Das dargestellte Geschäftsmodell existiert in dieser Weise noch nicht, aber könnte sich gerade für eine Kanzlei als tragfähiges Business Model erweisen. Die Verbindung von IT und systematische Bearbeitung von Rechtsfragen durch eine Kanzlei, also die Digitalisierung von rechtsanwaltlichen Dienstleistungen, bietet ein spannendes Umfeld auch für weitere Ideen: zum Beispiel könnte mit einer App ein Verkehrsunfall dokumentiert werden und diese „Akte“ direkt einer Kanzlei oder der Versicherung übergeben werden. Mit Spannung bleibt zu erwarten, welche Geschäftsmodelle findige Unternehmer in diesem Bereich in den nächsten Monaten und Jahren auf die Beine stellen werden.

An der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster findet vom 23. bis 25. Juni 2016 ein Legal-Tech-Seminar statt. Die Teilnehmer erörtern, wie sich juristische Arbeit technologisch unterstützen lässt. Die Veranstaltung steht allen Studenten der Rechtswissenschaften als propädeutisches Seminar offen. Studenten des Schwerpunktbereichs 9 (Rechtswissenschaft in Europa) können die Veranstaltung als Schwerpunktseminar besuchen. Das Seminar richtet sich weiterhin auch an Masterstudenten im Rahmen des Masterstudiums „Deutsches Recht“. Studenten auswärtiger Universitäten können sich ebenfalls für das Seminar anmelden, soweit die Plätze nicht durch WWU-Studenten belegt sind.

Weitere Informationen zu möglichen Seminarthemen wie auch zur Anmeldung für das Seminar finden sich hier. Andere Events aus dem Bereich Lega-Tech findet ihr hier.