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Das 2017 erstmals aufgelegte Rechtshandbuch Industrie 4.0 und Internet of Things ist 2020 bereits in zweiter Auflage erschienen. Was steht drin und wer sollte sich das Buch anschaffen?

Rechtshandbuch Industrie 4.0 und Internet of Things

Die Herausgeber Thomas Sassenberg und Tobias Faber möchten mit dem Rechtshandbuch Praxisfragen und Perspektiven der digitalen Zukunft ausleuchten. Dafür haben sie auf knapp 800 Seiten 23 Beiträge zu verschiedenen Rechtsfragen in Bezug auf vernetzte Gegenstände versammelt. Die Beiträge lesen sich wie eine moderne Einführung in das Recht der Informationstechnologie. Auf eine thematische Einführung der beiden Herausgeber – lesenswert für alle, die mit den Begriffen Industrie 4.0 und Internet der Dinge bisher wenig anfangen können – folgen sieben Beiträge zu einzelnen Rechtsgebieten wie etwa Datenschutz und IT-Sicherheit, Haftungsfragen, Kartellrecht, Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht. Daran schließen sich zwei Kapitel zu Vertragsschluss und Vertragsgestaltung im Internet der Dinge sowie zu künstlicher Intelligenz und zur Blockchain-Technologie an, bevor einzelne Branchen wie das Gesundheitswesen, der Bereich Automotive, die Versicherungswirtschaft, die Elektroindustrie und das Bankwesen in den Blick kommen.

Von Praktikern, aber nicht nur für Praktiker

Bemerkenswert ist, dass der Autorenkreis im Unterschied zu anderen Rechtshandbüchern fast ausschließlich aus Praktikern besteht. In einem hypeaffinen Bereich wie dem Recht der Digitalisierung hat das den großen Vorteil, dass die Beiträge erfreulich dicht mit Praxisbeispielen unterfüttert sind. Zugleich ist das Buch durchaus auch für Studierende (insbesondere die Beiträge zum Vertragsschluss, zum Verbraucherschutz, zu Haftungsfragen und zum Gesellschaftsrecht), für RechtsreferendarInnen (insbesondere die Beiträge zur Vertragsgestaltung und zum Arbeitsrecht) und für WissenschaftlerInnen (insbesondere der Beitrag zu Forschung und Entwicklung) eine nützliche Lektüre. Allen LeserInnen kann man empfehlen, das Werk auch als eine Art Lesebuch zu verwenden, in dem man erfahren kann, was jenseits von diesem Internet „da draußen so los ist“ und welche Rechtsfragen Gerichte und Anwaltspraxis in den kommenden Jahren umtreiben werden.

Wenige Wünsche für die dritte Auflage

Vor diesem Hintergrund erscheint es gut möglich, dass das Rechtshandbuch Industrie 4.0 und Internet of Things in absehbarer Zeit in die dritte Auflage geht. Was könnte man sich dafür noch wünschen? Vielleicht mehr Details zu Anwendungsbereichen der Blockchain-Technologie, vielleicht Beiträge zur Digitalisierung in der Bauindustrie, in der Biotech-Industrie und in der Lebensmittelindustrie, vielleicht auch eine rechtsvergleichende Perspektive zur Regulierung digitaler Technologien in China und Japan. Den Nutzen der aktuellen zweiten Auflage soll das aber nicht schmälern.

Das Rechtshandbuch Industrie 4.0 und Internet of Things ist im Handel zum Preis von 189 Euro verfügbar. Für diese Besprechung hat der Verlag hat eine kostenfreie Version zur Verfügung gestellt.

Was sind eigentlich smart contracts? Die Verträge von morgen haben es in sich. Sie wollen schlau sein, Konflikte vermeiden und Kosten sparen. Wie funktioniert das genau?

Smart contracts vollziehen sich automatisch

Der zentrale Punkt bei smart contracts: Sie vollziehen sich von selbst. Die Vertragsparteien müssen dafür keinen Finger mehr rühren. Möglich wird das durch eine Software, die über das Internet der Dinge vertragsrelevante Ereignisse wahrnimmt und bei deren Eintreten bestimmte Transaktionen auslöst. Man liest häufig, dass smart contracts zum ersten Mal bei Warenautomaten zum Einsatz kamen. Ein Getränkeautomat etwa gibt die Flasche erst frei, wenn er den Eingang des Geldes festgestellt hat. Allerdings können smart contracts heute weit mehr als das: Sie lösen nicht nur Primärleistungen aus, sondern können auch auf die Verletzung vertraglicher Pflichten reagieren. Das eröffnet einen ganz neuen Anwendungsbereich, der bisher weitgehend der Anwaltschaft vorbehalten war.

Beispiele für den Einsatz von smart contracts

So kann ein smart contract heute beispielsweise feststellen, ob eine Käuferin die bestellte Lieferung erhalten hat oder ob eine Automieterin das erlaubte Nutzungsgebiet verlassen hat. Kommt es dazu, kann eine Zahlung zurückgebucht, eine Vertragsstrafe eingezogen oder ein Objekt gesperrt werden. Häufig zitiert und im aktuellen Koalitionsvertrag sogar erwähnt ist das Beispiel, dass ein smart contract die Verspätung eines Zuges oder eines Flugzeugs feststellt und der Kundin dann automatisch den gesetzlichen Entschädigungsanspruch auszahlt. Längst beschränken sich die diskutierten Anwendungen nicht mehr auf den Bereich der Kryptowährungen wie Bitcoin, über den sie letztlich bekannt geworden sind. Gleichzeitig lösen sich smart contracts ein Stück weit von der blockchain als dem technischen System, auf dem sie groß geworden sind.

Definition von smart contracts: It’s complicated

Auch wenn Hintergrund und Anwendungsbeispiele inzwischen weithin bekannt sind, ist es doch mit der Definition von smart contracts so eine Sache. Das liegt vor allem daran, dass der Begriff ursprünglich in einer Weise verwendet wurde, die mit der eigentlichen Wortbedeutung nicht zusammenpasst.

Die traditionelle Definition: Smart contracts als reine Software

Die traditionelle Definition von smart contracts geht auf deren Erfinder Nick Szabo zurück. Danach handelt es sich um Programmcode zur Umsetzung von Vertragsklauseln. Der Code ist also nicht selbst Vertrag, sondern setzt den Vertrag nur weitestmöglich um. Es gab zwar 2016 mit dem sog. DAO Hack einen sehr bekannten Fall, in dem jemand einmal den Vertragsinhalt auf den Programmcode reduzieren wollte. Dieser Ansatz, der unter dem von Lawrence Lessig in anderem Kontext geprägten Slogan code is law diskutiert wurde, hat sich allerdings mit Recht nicht durchgesetzt. Es bleibt gleichwohl die im SzaboschenBegriffsverständnis angelegte Unschärfe, dass das englische Wort contract Verwendung findet, obwohl die Software unstreitig keinen Vertrag darstellt.

Die Definition nach dem Wortsinn: Smart contracts als Verträge mit Softwaremütze

Will man diese begriffliche Friktion vermeiden, liegt nahe, das Wort contract allein auf den klassischen Vertrag zu beziehen. Ein „smart“ contract wäre danach ein Vertrag, an den man eine Software geheftet hat, die ihn vollziehen soll. Spannungsfrei ist aber auch diese Definition nicht. Denn zum einen ist genau genommen nicht der Vertrag, sondern die Software smart. Und zum anderen ist die Szabosche Definition so verbreitet, dass eine Neudefinition zumindest vorübergehend womöglich mehr Verwirrung stiftet, als sie Nutzen bringt.

Ein Umweg als Ausweg?

Welcher Weg führt aus dem begrifflichen Dilemma? Es gibt zum Beispiel Stimmen, die den Begriff smart legal contract verwenden. Wem dieses Hendiadyoin zu umständlich ist, könnte zumindest im Deutschen den Begriff smart contract einfach dort vermeiden, wo begriffliche Klarheit wichtig ist. Stattdessen kann man z.B. von Vertragsvollzugssoftware oder schlicht von Vollzugssoftware sprechen, wo lediglich von dem Programmcode die Rede ist. Oder was meinen Sie?

Tipp: Schauen Sie auch in unseren Literaturfinder zum Thema Smart Contracts !

Die juristische Diskussion um die Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain erschöpft sich regelmäßig in ihrer Nutzung für Registersachen und smart contracts. Damit ist das Potenzial der Blockchain-Technologie aber noch nicht unbedingt ausgeschöpft. In einem Interview mit dem Anwaltsblatt weist die Berliner Anwältin Dr. Nina-Luisa Siedler darauf hin, welche Folgen damit verbunden sein könnten, wenn zentrale Handelsintermediäre überflüssig werden.

Blockchain ermöglicht Transaktionen ohne Intermediäre

Eine Blockchain ist eine Art dezentrale Dropbox. Was immer darauf gespeichert ist, liegt nicht auf einem zentralen Server, sondern verschlüsselt bei allen Teilnehmern des Netzwerks. Die vielfach parallele Speicherung gilt manchen als ineffizient, immerhin macht sie aber zentrale Intermediäre überflüssig. Auf einer Blockchain wandern Werte unmittelbar vom Sender zum Empfänger, ohne dass es einer zentralen Vermittlungsinstanz bedarf. Je mehr Kosten der zentrale Intermediär in Rechnung stellt, desto eher lohnt sich eine Blockchain. Während etwa einfache Inlandsüberweisungen für den Kunden heute in der Regel kostenfrei sind, genehmigt sich der internationale Zahlungsdienstleister PayPal einige Prozent vom Transaktionsvolumen. Wer sich diese Gebühren sparen möchte, wird Interesse für eine vertrauenswürdige Übermittlung ohne Einschaltung von Dritten entwickeln.

Ersetzt die Blockchain internationale Online-Plattformen?

In einem Interview mit dem Anwaltsblatt denkt die Berliner Rechtsanwältin Nina-Luisa Siedler nunmehr einen Schritt weiter. Womöglich könne die Blockchain-Technologie langfristig auch die Macht weltweiter Online-Plattformen begrenzen. Als Quasi-Monopolisten können diese Plattformen aus den Umsätzen der Marktteilnehmer erhebliche Margen abschöpfen. Zukünftig könnte dieses Geschäftsmodell allerdings so nicht mehr funktionieren:

„In der jüngeren Vergangenheit gab es die Tendenz, immer mehr zu zentralisieren. Amazon, Ebay, Facebook und Co. sind Beispiele. Diese internetbasierten Anbieter schöpfen als Mittler zunehmend größere Teile der Wertschöpfung ab. Für die eigentlichen Anbieter von Waren und Dienstleistungen bleibt so weniger übrig. Dieser Trend trifft nun auf eine Gegenbewegung. Die Blockchain ist genau mit dem Ziel entwickelt worden, wieder unmittelbar peer-to-peer den Austausch von Waren und Dienstleistungen zu ermöglichen. Und wenn das Erfolg hat, also wirklich in der Masse direkte Transaktionen zwischen Anbietern und Abnehmern ermöglicht, könnte das die Macht der großen (Internet-)Mittler brechen. Irgendwann wird die Technologie so weit sein.“

Das Interview mit Nina-Luisa Siedler ist im Anwaltsblatt 2017 im Novemberheft auf den Seiten 1091-1095 erschienen. Es ist ab sofort in der Anwaltsblatt App und ab Ende 2017 auch im Print-Archiv des Anwaltsblatts kostenfrei abrufbar.

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