5 Must-Knows zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach

Ab dem 01. Januar 2018 ist das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) Pflicht. Das bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte verpflichtet sind, Kommunikation über das beA zur Kenntnis zu nehmen. Kurz vor dem Jahreswechsel wollen wir die fünf wichtigsten Fragen zum beA beantworten.

Welche Hardware und Software brauche ich für das besondere elektronische Anwaltspostfach?

Für das beA wird ein Computer mit Internetzugang vorausgesetzt. Empfohlen wird eine Internetverbindung mit einer Datenübertragungsrate von mindestens 2 MBit/s und optimaler Weise 6 MBit/s.
Zudem ist zumindest für die Erstanmeldung eine beA-Karte nötig sowie ein dazu passendes Chipkartenlesegerät. Da Chipkarten und Lesegeräte nicht gekoppelt sind, können mehrere Personen mit ihren Karten das selbe Lesegerät verwenden. Hier findet sich eine Liste mit kompatiblen Lesegeräten. Allerdings ist eine Bestellung von Kartenlesegeräten derzeit nicht mehr möglich. Da nicht gewährleistet werden kann, dass die Geräte bis Ende des Jahres geliefert werden, hat sich die Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer dazu entschieden, den Verkauf der Geräte vorerst zu unterbrechen.
Auf das besondere elektronische Anwaltspostfach kann entweder über gängige Internetbrowser (über https://www.bea-brak.de/) oder per Integration direkt in der Kanzleisoftware zugegriffen werden.

Für eine effektive Nutzung ist zudem noch ein Drucker und ein Scanner oder ein Kombinationsgerät erforderlich.

Ist das besondere elektronische Anwaltspostfach wirklich sicher?

Beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach werden neueste Authentifizierungs- und Verschlüsselungstechniken eingesetzt. Dabei wird eine sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verwendet. Das heißt, dass Nachrichten nur mit der passenden Chip-Karte und Pin-Nummer gelesen werden können. So wird gewährleistet, dass nur Absender, Empfänger und etwaige durch den Empfänger berechtigte Personen die Nachrichten sehen. Selbst die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat selbstverständlich keinen Zugriff auf die Nachrichten. Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung führt allerdings dazu, dass die Betreffzeile einer ungeöffneten Nachricht nicht sichtbar ist. So kann erst durch öffnen einer Nachricht herausgefunden werden, um was es sich handelt.

Es gibt auch Stimmen (Rechtsanwalt Ralph HeckstedenRechtsanwalt Dr. Thomas Papenmeier, REDGROUP), die in der Art der Verschlüsselung durch die BRAK keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sehen, da hier nicht der Absender, sondern die BRAK letztlich die Gewalt darüber hat, wer die Nachricht entschlüsseln kann. Ob das die Sicherheit des beA bedeutend verringert ist aber fraglich.

Für den Virenschutz ist jedenfalls beim beA der Empfänger der Nachricht selbst verantwortlich. Daher sollte jeder Anhang nach dem Entschlüsseln zunächst auf Virenbefall geprüft werden.

Und wer haftet eigentlich für Übertragungsfehler?

Sollten Übertragungsfehler auftreten, so kann anhand eines lückenlosen Nachrichtenjournals nachgewiesen werden, dass das Senden versucht wurde. So kann dann beispielsweise eine Wiedereinsetzung erreicht werden (§ 130d ZPO n.F.).

Kümmert sich die Bundesrechtsanwaltskammer um alles oder muss ich selbst aktiv werden?

Das beA wird schon seit 28. November 2016 genutzt und ist hier erreichbar. Seitdem ist auch eine Erstregistrierung möglich. Hierfür ist die sogenannte beA-Karte nötig, welche ausschließlich hier beantragt werden kann. Durch diese wird gewährleistet, dass nur der jeweilige Rechtsanwalt als berechtigter Postfachbesitzer Zugriff auf das Postfach hat.
Die BRAK schickt einem nichts zu, viel mehr muss man selbst aktiv werden und eine beA-Karte bestellen und sich ein Kartenlesegerät zulegen. Zur Bestellung ist eine eindeutige Identifikationsnummer – entweder die persönliche Antragsnummer oder die SAFE-ID – notwendig, welche jeder Rechtsanwältin und jedem Rechtsanwalt im Juni vergangenen Jahres zugeschickt wurde. Sollte man die SAFE-ID nicht (mehr) kennen, kann sie von der Rechtsanwaltskammer erfragt werden.

Mit wem kann ich über das beA kommunizieren?

Eine Kommunikation ist möglich mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Gerichten, Behörden, Notaren, dem Schutzschriftenregister, Rechtsanwaltskammern und Mandanten.

Grundsätzlich ist eine Kommunikation mit Gerichten ab dem 01. Januar 2018 geplant. Per Rechtsverordnung auf Länderbasis, kann die Umstellung jedoch auf den 1. Januar 2019 oder 2020 verschoben werden. Betroffen sind Zivil-, Arbeits-, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichte. Die jeweiligen Bundesgerichte sind jetzt schon erreichbar. Auf Länderebene soll eine Umstellung nach und nach geschehen. Die Verfassungsgerichtsbarkeit ist derzeit nicht vorgesehen.

Mit Mandanten können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte seit Juni 2017 über das beA mit sogenannten EGVP-Bürgerpostfächern kommunizieren.

Darf ich weiterhin Papier-Schriftsätze verschicken?

Eine Verpflichtung zum elektronischen Versand von Schriftsätzen an Gerichte gibt es auch am 1. Januar 2018 noch nicht. Zwar nehmen die Gerichte grundsätzlich elektronische Schriftsätze ab diesem Datum entgegen, allerdings auch weiterhin in Papierform. Frühestens zum 1. Januar 2020 kann durch Rechtsverordnung der einzelnen Länder die Pflicht zur Einreichung in elektronischer Form festgelegt werden. Spätestens ab 1. Januar 2022 sind alle Rechtsanwälte in Deutschland zur elektronischen Übermittlung verpflichtet.

Allerdings besteht, wie eingangs erwähnt, ab dem 1. Januar 2018 bereits die Pflicht, von Mitteilungen und Nachrichten, die über das beA eingehen, Kenntnis zu nehmen.

 

Sollten Rechtsanwälte rechnen können? Ein neues Buch von Jörg Risse und Matthias Morawietz erläutert Chancen und Grenzen der Prozessrisikoanalyse für die anwaltliche Mandatsarbeit.

Prozessrisikoanalyse: Vier Schritte zur Prognose der Erfolgsaussichten

Was ist eine Prozessrisikoanalyse? Im Kern handelt es sich um eine strukturierte Bewertung der Erfolgschancen vor Gericht. Eine klassische Prozessrisikoanalyse läuft in vier Schritten ab:

  1. Zunächst identifiziert man alle für den konkreten Fall relevanten Tatsachen- und Rechtsfragen. Das sind in der Regel die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs, aber auch prozessuale Fragen, z.B. zur Zulässigkeit einer Klage, zur Beweisführung oder zur Präklusion.
  2. Anschließend sucht man für jede einzelne dieser Tatsachen- und Rechtsfragen die Erfolgswahrscheinlichkeit. Hier geht es beispielsweise um die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Gericht ein Anfechtungsrecht bejahen würde oder mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Zeuge günstig aussagt. Während die juristische Perspektive bei solchen Fragen zu einer Ja- oder Nein-Entscheidung tendiert, denken Ökonomen und mit ihnen die Prozessrisikoanalyse in Wahrscheinlichkeiten. Beispiel: Wenn man 100 gleichgelagerte Fälle durchspielt und das Urteil in 80 dieser Fälle günstig ausfällt, beträgt die Erfolgswahrscheinlichkeit zu dieser Rechtsfrage 80%.
  3. Im Anschluss an die Zuweisung von Erfolgswahrscheinlichkeiten zu den fallerheblichen Tatsachen- und Rechtsfragen multipliziert man die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten für die günstige Entscheidung miteinander. Hat man zum Beispiel drei fallerhebliche Rechtsfragen identifiziert und die Erfolgswahrscheinlichkeit jeweils mit 80% eingeschätzt, lautet die Rechnung 80% * 80% * 80% = 51,2%. Das bedeutet: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 51,2% wird man den Rechtsstreit gewinnen. Die Chancen stehen kaum mehr als 50:50. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass jede einzelne Rechtsfrage mit großer Wahrscheinlichkeit zu den eigenen Gunsten entschieden wird.
  4. Im vierten und letzten Schritt errechnet man den Wert des Rechtsstreits, indem man die gefundene Erfolgschance mit dem geltend gemachten Anspruch multipliziert. Ginge es im obigen Fall um 1 Million Euro, so ergäbe sich ein Fallwert von 512.000 Euro. Mehr ist der Anspruch nicht wert. Anders gewendet: Macht der Gegner ein Vergleichsangebot von 600.000 Euro, ist man in der Regel gut beraten, dankend anzunehmen.

Prozessrisikoanalyse: Unternehmerisch denken im Sinne der Mandanten

Das Ergebnis einer Prozessrisikoanalyse ist eine konkrete Zahl. Die natürlich von den Risikoeinschätzungen bei den einzelnen Rechts- und Tatsachenfragen abhängt. Eine häufig artikulierte Kritik lautet, dass die Prozessrisikoanalyse insofern eine Genauigkeit suggeriere, die tatsächlich nicht bestehe. Indes: Wenn die Alternative das Bauchgefühl des Rechtsanwalts ist, wird eine etwas strukturiertere Betrachtung doch in der Regel eine realistischere Einschätzung der Prozessrisiken ermöglichen. Natürlich ist das kompliziert: Eine realistische Prozessrisikoanalyse wird regelmäßig nicht nur drei, sondern eher dreißig entscheidungsrelevante Fragen identifizieren, die alle einzeln bepreist werden müssen. Diese Mühe ist aber im Sinne der Mandantschaft, die im Zweifel nicht prozessieren möchte, wenn der Erwartungswert eines außergerichtlichen Vorgehens höher ist. Nicht zuletzt deswegen gehört eine gründliche Auseinandersetzung mit diesen Fragen ohnehin zu den Pflichten aus dem anwaltlichen Mandatsvertrag.

Risse und Morawietz erläutern Technik und konkrete Fallstudien

In ihrem Buch erläutern Jörg Risse und Matthias Morawietz diese Technik der Prozessrisikoanalyse sehr detailliert. Anhand eines Beispielsfalls zeigen sie, wie man den Entscheidungsbaum hinter einer Risikoanalyse baut, wie man Risiken konkret berechnet und welche Softwarehilfen sich dafür eignen. Darauf folgt eine Reihe von Fallstudien, die unter anderem Beispiele aus der Prozessfinanzierung, der Mediation und dem Schiedsverfahren enthalten. Insgesamt erscheint das Buch als ein klug strukturierter und gut lesbarer Ratgeber, der jedem Praktiker nachdrücklich zu empfehlen ist. Da Werk ist im Versandhandel zum Preis von 45 € erhältlich.