Jurastudenten aufgepasst: „Jura wird leicht“ verspricht das Heidelberger Legal-Tech-Startup LEX superior auf seiner Homepage. Was steckt dahinter? Zwölf Fragen an die Gründer.
1. Was an LEX superior ist „legal“?
Unser Ziel ist es, einen digitalen juristischen Ausbildungsstandard zu schaffen. Insofern ist alles, was wir inhaltlich tun ziemlich „legal“. Das fängt natürlich bei den Gesetzen in unserer App an und geht weiter mit unseren im Gesetz integrierten Ausbildungsinhalten.
2. Was an LEX superior ist „tech“?
Wir sind ein Technologieunternehmen, das sich mit Jura beschäftigt – nicht umgekehrt. Oberflächlich betrachtet, ist natürlich der Umstand „tech“, dass wir eine App anbieten. Allerdings geht diese Aussage bereits ein wenig in die Richtung, wenn Kanzleien behaupteten, auch Legal-Tech zu betreiben, nur weil sie mit Computern arbeiten. Bei uns ist „tech“ das, was aktuell hinter der Kulisse abläuft (insbesondere was die Aufbereitung und Auswertung der Gesetzestexte anbelangt), aber in diesem Jahr werden wir auch „tech“ vor die Kulisse bringen: Einerseits geht es uns um die (Teil-)Automatisierung von Aufgaben, die sich im Rahmen der juristischen Ausbildung stellen. Andererseits um die inhaltliche Auswertung von Gesetzen und Urteilen mit Hilfe von Data Science und Natural Language Processing. Wir arbeiten aktuell mit einem Datensatz von über 42.000 Urteilen der obersten Bundesgerichte und des Bundesverfassungsgerichts, die wir inhaltlich auswerten.
3. Wie kamt Ihr auf Eure Geschäftsidee?
Die Idee war sehr naheliegend, da zwei unserer drei Gründer selbst Juristen sind. Insoweit tun wir nur das, was wir uns für unsere Ausbildung immer gewünscht haben (diese Wunschliste ist sehr lang und in der App noch nicht einmal annähernd umgesetzt). Jetzt merken wir zu unserem Glück: Wir haben natürlich auch Jura gelernt und zwei Examina abgelegt, aber gleichzeitig für viele Jahre intensiv Marktforschung betrieben. Zudem haben die Juristen aus unserem Team selbst auch viele Jahre als AG-Leiter und Korrekturassistenten gearbeitet und wissen daher nur zu gut, wo im Studium (und Referendariat) der Schuh am meisten drückt. Schließlich haben wir dabei auch die Erkenntnis erlangt, dass die heutige Generation von Digital Natives ganz andere Arbeitsgewohnheiten und Bedürfnisse hat. Auf sie ist unsere App zugeschnitten.
4. Welche Ziele verfolgt Ihr mit dem Start-up?
Kurz- bis mittelfristig wollen wir die juristische Ausbildung digitalisieren und einen längst überfälligen juristischen Ausbildungsstandard schaffen. Langfristig haben wir das Problem im Auge, dass die juristische Ausbildung immer mehr den Bezug zur Lebenswirklichkeit verliert. Die digitalisierte und globalisierte Welt verändert sich rasant. Die juristische Ausbildung steckt gefühlt noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts fest – was die Arbeitsweise angeht, trifft das auch zu, wenn man bedenkt, dass in der Ausbildung immer noch hauptsächlich mit Stift, Papier und Büchern gearbeitet wird. Wir wollen versuchen, diese Lücke zu verringern. Das ist auch deshalb für uns Juristen und den Rechtsstaat wichtig, weil wir ansonsten die Gefahr eines erheblichen Bedeutungsverlustes sehen. Zusammengefasst: Wer die Welt (bzw. Sachverhalte) nicht hinreichend versteht, kann auf sie keine Normen anwenden (die Subsumtion scheitert).
5. Wie setzt sich Euer Team zusammen?
Unser Kern-Team besteht derzeit aus drei Personen (Juristen und Softwareentwickler), das primär die App weiterentwickelt. Hinzu kommt ein erweitertes Team von Juristen, die alle herausragende Ergebnisse in den Examensprüfungen (darunter mehrere Landesbeste) erzielt haben. Mit diesen arbeiten wir gemeinsam an den juristischen Ausbildungsinhalten für unsere App.
6. Wo seht ihr Euch in drei Jahren?
LEX superior ist die Standard-App für die juristische Ausbildung (aber eigentlich auch für jeden Praktiker ein sehr nützliches Werkzeug). Wir werden ein didaktisch kluges und umfassendes Ausbildungssystem für das Erste und Zweite Staatsexamen in die App integriert haben, das eine umfassende und effiziente Examensvorbereitung ermöglicht. Zudem enthält die App weitere nützliche Tools, mithilfe derer repetitive, mühsame und gleichzeitig fehleranfällige Aufgaben während der Ausbildung effizient erledigt werden können, damit mehr Zeit für das Wesentliche bleibt – sozusagen ein Taschenrechner für Juristen.
7. Mit welchen Schwierigkeiten hattet Ihr bisher zu kämpfen?
Wir haben extrem viele Ideen – und einige davon sind gar nicht verkehrt. Ideen zu haben ist allerdings ziemlich einfach verglichen mit der technischen Umsetzung. Programmier-Power ist deshalb die Ecke, an der wir viel Bedarf haben, der noch zu decken ist. Eine große Schwierigkeit ist dabei, zwischen Juristen und Softwareentwicklern „zu übersetzen“. Gerade hier mussten wir anfangs einige leidvolle Erfahrungen machen, von denen wir nun aber sehr profitieren.
8. Was hebt Euch von der Konkurrenz ab?
Wir sind Juristen, die für Juristen entwickeln. Usability und Arbeitseffizienz speziell für juristische Anforderungen stehen bei uns im Vordergrund. Ferner werden die von uns erstellten juristischen Ausbildungsinhalte auch qualitativ um einige Dimensionen besser sein als das, was der Markt bietet. Einerseits liegt es natürlich daran, dass bei uns nur exzellente Juristen Inhalte erstellen, aber andererseits haben wir intern auch ein Peer-Review und Qualitätsmanagement-Verfahren, sodass die Inhalte immer das Ergebnis von Teamwork sind.
9. Wie finanzierte sich Euer Unternehmen vor allem in der Anfangsphase?
Kurzum: Aus der eigenen Tasche. Seit unserer Gründung haben wir bislang alles mit eigenen Mitteln finanziert. Das „teure“ ist aktuell unsere eigene Arbeitszeit – also Opportunitätskosten.
10. Wie habt Ihr es geschafft, auf Euch aufmerksam zu machen?
Wir haben das große Glück, dass unsere Ziele viel Unterstützung aus der Studierendenschaft selbst und seitens der Rechtsreferendare erfahren. Dabei danken wir insbesondere sehr dem Bundesverband Rechtswissenschaftlicher Fachschaften und Mitgliedern der European Law Students‘ Association Deutschland und ihren Fakultätsgruppen, die uns großartig unterstützen. Es ist tatsächlich an der Zeit, dass auch in der juristischen Ausbildung etwas frischer Wind aufkommt.
11. Was hättet Ihr rückblickend gerne anders gemacht?
Das ist eine schwierige Frage. Auch wenn man es der Fassade möglicherweise nicht ansieht, aber auch wir machen viele Fehler. Das gute daran ist allerdings, dass wir dadurch jedes Mal auch viel dazu lernen. Das ist wohl auch unserer Entwicklungsphilosophie geschuldet: Wir entwickeln unser Produkt nach dem Lean Startup Prinzip. D.h. wir haben sehr schnelle Innovationszyklen und überprüfen ständig unsere Hypothesen anhand des User-Feedbacks. Vielleicht müssen wir aber tatsächlich bei dieser Frage kapitulieren und feststellen, dass wir vielleicht noch nicht so weit gekommen sind, um sinnvollerweise zurück blicken und beurteilen zu können, was wir gerne anders gemacht hätten.
12. Welchen Tipp würdet Ihr anderen Gründern im Bereich Legal-Tech geben?
Talk is cheap – Ärmel hochkrempeln und arbeiten! Natürlich ist es gut und wertvoll, auf Konferenzen zu fahren und sich mit anderen auszutauschen. Am Ende zählt allerdings das Arbeitsergebnis. Dort sollte die meiste Energie reinfließen – dabei aber bitte immer lean bleiben.
Herzlichen Dank für das Interview! Wir werden die LEX superior App gleich mal runterladen…