Industrialisierung von Rechtsdienstleistungen

Legal Technology kommt in den Bereichen Blockchain und Smart Contracts eine besondere Bedeutung zu. Die Art und Weise, wie Rechtsdienstleistungen erbracht werden, wird sich grundlegend ändern.

Blockchain ist eine Technologie, die nicht nur mehr Sicherheit bietet, sondern zukünftig auch nicht mehr wegzudenken sein wird. Nicht nur im Bereich Finanzwesen, sondern auch im Bereich der Rechtsbranche ist Blockchain Technologie auf dem Vormarsch – und das nicht ohne Grund. Viele Transaktionen können nicht nur vereinfacht, sondern auch verschnellert werden. Doch diese Technologie kann auch Risiken bergen.

Die Digitalisierung hat die Rechtsbranche erfasst, immer neue Legal Technology-Lösungen kommen auf den Markt. In welchen Bereichen ist eine Automatisierung wirklich sinnvoll?

Eine Automatisierung von Prozessen ist immer dann sinnvoll, wenn bestimmte Rechtsvorgänge mehrfach auftreten. Es ist schwierig, Rechtsgeschäfte zu automatisieren, die entweder komplex sind oder nur vereinzelt auftreten, wie etwa eine M&A-Transaktion oder ein Patentverkauf. Aber sobald Rechtsgeschäfte mehrfach auftreten oder die Komplexität beschränkt ist, könnten diese zum Teil komplett automatisiert werden. Ein Beispiel dafür wären Mietverträge oder auch Kreditverträge. Teilweise sind solche Prozesse heute schon teilautomatisiert. Unter Verwendung von Frage- und Antwortsystematiken – etwa im Sinne eines Chats bei WhatsApp – könnte man die Automatisierung noch weitaus erhöhen.

Inwiefern sind Blockchain und Smart Contracts sinnvolle Anwendungsbereiche für Legal Technology? Wo liegen die Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Vorgehen? Warum ist ein automatisiert erstellter Vertrag besser als ein individuell erstellter?

Einem Rechtsgeschäft unterliegt zunächst ein Vertrag. Dieser ist entweder mündlich geschlossen worden oder schriftlich. Oftmals existiert hierzu ein Dokument. In dem Dokument jedoch sind Bedingungen und Konsequenzen enthalten. Also etwa so: Am 01.05.2018 muss der Vertragspartner 2000€ bezahlen. Wenn die Bedingung eingetreten ist, findet die Konsequenz statt. Dieser Text lässt sich perfekt durch Smart Contracts unterlegen. Dabei würde die Bedingung dann von Computersystemen geprüft werden und – sobald sie eingetreten ist – der „Smart Contract“ dann ablaufen. Spannend wird es dann, wenn der Vertragstext synchron mit einem Smart Contract verfasst wurde, sodass Computerlogik und Rechtsprosa in Einklang sind. Dann haben wir einen Vertrag, der auch gemäß unseres Rechtssystems funktioniert und gleichzeitig den Computer (bzw. die Blockchain), der die Ausführung vollautomatisch übernehmen könnte.

Welche Best-Practice-Beispiele gibt es in diesem Bereich? Und was sollte man bei der Anwendung von Legal Technology in Rechtsabteilungen in dieser Hinsicht besonders beachten?

Bis heute gibt es hier noch wenig konkrete Projekte. In Versicherungen werden solche Prozesse bereits recht gut automatisiert, denn dort fallen bestimmte Vorgänge sehr oft an. Auch im Finanzbereich – etwa bei Banken – gibt es teils schon eine hohe Automatisierung. Bei Banken, die zu Automobilherstellern gehören, ist man teilweise schon weiter: Dort werden Leasingverträge teilweise schon systematisch mit IT erfasst und entsprechend automatisiert abgewickelt. Aber bis heute sind das nur seltene Fälle. Die großen Veränderungen werden hier in den kommenden Jahren noch kommen. Bei meiner Bank zum Beispiel musste ein Mietkautionskonto aufgelöst werden. In der Blockchain-Welt wäre das ein Smart Contract und ein Prozess von wenigen Sekunden. Bei mir hatte dies jetzt im Juni 2017 vermutlich fast 10 E-Mails gedauert und der Prozess hat sich über 2 Monate hingezogen. Hier sieht man, dass manche Unternehmen trotz Digitalisierung von effizienten Prozessen – egal ob mit oder ohne Blockchain – noch sehr weit entfernt sind.

Gerade in der Finanzindustrie spielt das Thema Blockchain schon lange eine große Rolle. Welchen Einfluss hat Legal Technology in diesem Bereich? Gibt es auch Gefahren, die mit ihrer Nutzung einhergehen?

Gefahren gibt es in jedem Falle. Denn die Automatisierung nimmt keine oder kaum Rücksicht auf Einzelfälle. Daher kann es hier zu automatischen Vorgängen – oder auch Ketten von Vorgängen – kommen, deren Konsequenzen heute noch nicht wirklich abgeschätzt werden können. Ich denke, dass derartige Entwicklungen in den nächsten Jahren Einzug halten werden. Die Banken und Versicherungen, die hier ihre Prozesse am besten aufsetzen, werden zu den Gewinnern gehören. Wichtig dabei ist, dass der Kunde auch bei automatisierten Vorgängen als Mensch noch berücksichtigt wird. Wer beides kann, Automatisierung und Rücksicht auf die Belange der Menschen, wird Erfolg haben. Unternehmen, die diese Prozesse nicht meistern können, werden in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Wir kennen Prozesse, bei denen auf die Belange der Kunden, die ja Menschen sind, keine Rücksichtig genommen wird. Zum Beispiel in Call-Centern: Sagen Sie „1“ um dies und das zu tun. Wenn wir „1“ sagen, wird dies manchmal nicht verstanden und wir landen nicht selten in Endlosschleifen. Das sind Prozesse, die zwar digital sind, aber die Kunden nicht berücksichtigen. Daher ist meiner Meinung nach beides enorm wichtig; letzteres wird ab und zu vergessen.